Das Kammergericht, also das oberste Gericht Berlins, hat gestern entschieden, dass eine Mutter keinen Anspruch darauf hat, Einblick in das Mitgliedschaftskonto der Tochter bei Facebook zu erhalten.
Im Jahr 2012 ist die Tochter auf einem Berliner U-Bahnhof durch einen einfahrenden Zug getötet worden. Die Eltern wollten wissen, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte und wollten daher Zugang zu den Chatnachrichten der Tochter haben. Die Mutter hatte sogar die Zugangsdaten zu dem Profil. Ein Freund der Tochter hatte jedoch Facebook über den Tod informiert, so dass das Konto eingefroren worden ist.
Die Mutter klagte also gegen Facebook auf Offenlegung der Daten des Profils und der Nachrichten. Für sie waren die Nachrichten im Facebook-Profil nicht anders als Briefe, die sie als Erbin der Tochter ebenfalls hätte lesen können. Die Nachrichten bei Facebook sah sie als „digitales Erbe“. Facebook argumentierte dagegen mit den Regeln des Datenschutzes: Durch die Offenlegung der Nachrichten sei nicht nur die Kommunikation der Tochter transparent gemacht, sondern auch die ihrer Freunde, und auch die Freunde hätten einen Anspruch darauf, dass die Nachrichten privat blieben.
Wie so oft gibt es in der Juristerei auch hier nicht nur eine richtige Lösung des Falles, sondern es geht darum, zwischen den verschiedenen richtigen Lösungen abzuwägen, hier also zu entscheiden, ob das Informationsinteresse der Mutter an dem digitalen Erbe schwerer wiegt oder die möglicherweise betroffenen Datenschutzinteressen der Chatpartner der Tochter. Dass man den Fall auch anders hätte entscheiden können, erkennt man daran, dass die Mutter in der ersten Instanz vor dem Landgericht Berlin noch Recht bekommen hat und nun erst in der zweiten Instanz unterlegen ist. Das Kammergericht hat deswegen auch die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, der sich nun noch mit dem Fall befassen wird.