Nach kurzer, hitziger Debatte hat der Bundestag heute beschlossen, dass künftig auch gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland heiraten dürfen. Es gab zwar seit einigen Jahren die Möglichkeit, eine so genannte „eingetragene Lebenspartnerschaft“ einzugehen, durch die schon einige Dinge angeglichen wurden, etwa im Erbrecht oder im Steuerrecht. Andere Dinge wie Adoptionen waren jedoch nicht möglich. Nunmehr ist auch diese Hürde genommen.
Möglich wurde das heutige Abstimmungsergebnis dadurch, dass die CDU als eine der Regierungsparteien den „Fraktionszwang“ aufgehoben hat. Doch was ist aber darunter zu verstehen?
Gehen wir hierfür einmal einen halben Schritt zurück. Die Abgeordneten in den Parlamenten (also auch im Bundestag) sitzen dort nicht als Angestellte der Parteien, sondern als Vertreter des Volkes. Die Abgeordneten des Bundestags sind – so sagt es Art. 38 des Grundgesetzes – „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Das bedeutet, dass jeder Abgeordnete in jeder Abstimmung das wählen kann, was ihm und seinen Wählern passt. So könnte also ein Abgeordneter für etwas anderes stimmen als der Rest seiner Partei.
Nun zu den Fraktionen: Weil im Bundestag offiziell keine Parteien sitzen, sondern nur Abgeordnete, bilden die Abgeordneten freiwillige Zusammenschlüsse, nämlich die „Fraktionen“. Fraktionen sind gewissermaßen Interessenvereinigungen, in denen die Angehörigen der gleichen Parteien sitzen. Obwohl jeder Abgeordnete in seinem Stimmverhalten frei ist, gibt es doch einen so genannten „Fraktionszwang“: Von den Abgeordneten wird erwartet, dass sie so stimmen, wie es die Mutterpartei vorgibt. Zwingen kann man sie nicht, aber wer noch eine Karriere in der Partei anstrebt, fällt ihr nicht in den Rücken.
Das heißt: Eigentlich kann jeder Abgeordnete so stimmen, wie er möchte, in der Realität stimmt er aber mit der Stimme seiner Partei. Dieser Fraktionszwang ist nicht ganz unkritisch. Freie Abgeordnete, Gewissen, der Wille der Wähler – wie kann man sich da der Partei unterwerfen? Nun, auch Fraktionen und deren Kollektivwille haben eine Daseinsberechtigung. Begründet wird dies mit der Verlässlichkeit politischer Entscheidungen und der für ein geordnetes Zusammensein notwendigen politischen Stabilität, die nur erreicht werden könne, wenn man vorher wisse, wie abgestimmt werden wird.
Und dieser Fraktionszwang galt heute nicht. Die Ehe für alle wurde vor einigen Tagen eher beiläufig bei einer Podiumsdiskussion der Zeitschrift „Brigitte“ ermöglicht, als die Bundeskanzlerin erklärte, dass es sich bei der Ehe für alle um eine Gewissensentscheidung handele. Hieß es im Koalitionsvertrag noch, dass es keine Ehe für alle geben solle, galt nun also wieder das Gewissen der einzelnen Abgeordneten. Bei der eilig herbeigeführten Abstimmung im Bundestag stimmten dann auch mindestens 70 Abgeordnete der Union für die Ehe für alle.