„Eltern haften für ihre Kinder“: Diesen Spruch sieht man allerorten. Schon als Kind habe ich mich gefragt, was er denn bedeutet. Und ehrlich gesagt: Schon damals habe ich nicht wirklich verstanden, was damit gemeint sein sollte. Damals konnte ich mit dem Spruch sprachlich nicht viel anfangen. Heute weiß ich, dass er inhaltlich falsch ist.
Was bedeutet denn überhaupt „haften“? Das Wort hat – auch juristisch – verschiedene Bedeutungen. Im Zusammenhang mit dem Schild an der Baustelle bedeutet es so viel wie „für etwas einstehen“ oder „für etwas verantwortlich sein“. Also sagt das Schild an der Baustelle: „Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich“. Aber das ist doch klar! Das steht doch schon im BGB, nämlich in § 1626: Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Im Zusammenhang mit der Baustelle ist wohl jedenfalls gemeint: Eltern müssen das in Ordnung bringen, was ihre Kinder kaputtmachen.
Aber ist das so einfach? Kann man jemanden für etwas verantwortlich machen, was ein anderer getan hat? Nein, das kann man nicht. Es gibt bei uns keine Fremdhaftung: Jeder ist nur für das verantwortlich, was er selber falsch macht.
Und trotzdem kann es passieren, dass Eltern die Schäden ersetzen müssen, die ihre Kinder verursachen. Das liegt dann aber nicht einfach daran, dass sie die Eltern sind und auch nicht daran, dass irgendwo ein Schild hängt. Die Eltern haften aber für ihre eigenen Fehler. Die Eltern haben nämlich eine Aufsichtspflicht.
Eltern müssen aufpassen, dass ihre Kinder nichts beschädigen und niemanden verletzen. Wie genau man auf seine Kinder aufpassen muss, ist vom Kind und von der Situation abhängig. Ein Kind, das immer ruhig und lieb ist, kann man auch mal ein paar Minuten alleine auf dem Spielplatz sitzen lassen. Andererseits darf man ein Kind, das jede Gelegenheit nutzt, anderen Kindern mit der Plastikschaufel auf den Kopf zu hauen, nicht mit anderen Kindern und einer Plastikschaufel unbeaufsichtigt lassen. Ein Kind, das bisher immer ruhig im Kinderwagen blieb, kann man bedenkenlos auch im Porzellanladen im Kinderwagen lassen. Das andere Kind, das bisher immer aus dem Wagen raussprang, darf man wiederum nicht alleine lassen. Wie Juristen sagen: Es kommt eben immer drauf an.
Wenn Kinder also etwas kaputtmachen, können die Eltern dafür haften. Sie haften aber nicht „für ihre Kinder“, sondern für ihre eigenen Fehler, nämlich für die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Jeder haftet hier für sich.
Darauf, dass Schilder, die jemand einfach irgendwo aufstellt, nichts wert sind, kommt es also gar nicht mehr an. Wenn jeder mit seinem Schild irgendetwas bestimmen könnte, würde ich mir ein Schild vor das Haus stellen, auf dem es heißt „Wer das liest, schuldet mir ein Eis“. Nee, das geht leider nicht so einfach. Dazu schreibe ich dann gerne bei anderer Gelegenheit!