Als Student las ich einmal einen Aufsatz von Prof. Michael Martinek in der Zeitschrift JuS (Jahrgang 1987, Seite 514-522). Er schrieb über „Das Flaschenpfand als Rechtsproblem“ und kam zu dem Schluss, dass es „Flaschenpfand“ – zumindest juristisch – gar nicht gibt. Die Zeitschrift JuS richtet sich an Studenten, und der Aufsatz ist auch für erwachsene Juristen ziemlich anspruchsvoll. Ich versuche, das Problem hier einmal zu erklären!
Erst einmal muss geklärt werden, was ein Pfand überhaupt ist. Ein Pfand sichert etwas. Meist wird durch ein Pfand die Pflicht zur Rückgabe gesichert. Als Beispiel: Ich miete mir ein Tretboot auf dem Wannsee. Für eine Stunde Tretboot fahren zahle ich € 5,-. Damit ich das Boot aber auch zurückgebe, möchte der Tretbootstand ein Pfand. Also lasse ich meinen Autoschlüssel da, damit der Betreiber sicher sein kann, dass er sein Boot zurückbekommt. Für € 5,- darf ich also eine Stunde Tretboot fahren (das ist ein Mietvertrag), und wenn ich das Boot zurückbringe, bekomme ich meinen Autoschlüssel wieder. Der Autoschlüssel ist also das Pfand. Er sichert die Rückgabe des Boots.
Wie ist das aber bei den Pfandflaschen? Wenn ich in den Supermarkt gehe und eine Flasche Limo kaufe, zahle ich vielleicht € 1,14, nämlich € 0,99 für die Limo und dazu € 0,15 für die Flasche. Bringe ich die Flasche wieder zurück, erhalte ich € 0,15 wieder. Alles wie beim Tretboot? Nein: Beim Tretboot habe ich einen Mietvertrag und muss es wieder zurückbringen, aber so etwas gibt es bei der Flasche nicht. Erstens muss ich die Flasche nicht zurückbringen, und zweitens – wir erinnern uns – habe ich für das Tretboot € 5,- für die Benutzung bezahlt, und für die Benutzung der Flasche zahle ich nichts, denn den Inhalt der Flasche (die Limo) habe ich für € 0,99 gekauft, und für die Flasche bekomme ich das wieder, was ich bezahlt habe, nämlich € 0,15.
Wenn ich die Flasche also nicht gemietet habe, habe ich sie mir vielleicht vom Händler geliehen, also ein Leihvertrag? Nein, das ist es auch nicht, denn die Leihe im BGB verlangt, dass ich die gleiche Sache wieder zurückgebe, also die exakt gleiche Flasche. Das Pfandsystem funktioniert aber so, dass ich die Flaschen auch bei anderen Händlern zurückbringen kann.
Der Pfandbetrag sichert hier also nichts, also jedenfalls keine Pflicht zur Rückgabe. Juristisch handelt es sich also nicht um ein Pfand.
Eine zweite Hürde liegt darin, dass – wenn das Geld doch ein Pfand wäre – das selbe Pfand zurückgegeben werden müsste, also die gleichen Geldstücke. Wieder zurück zum Beispiel: Ich will ja nicht irgendeinen Autoschlüssel zurückbekommen, sondern meinen. Beim Pfand bekomme ich nämlich wieder, was ich hingegeben habe. Und auch hier stößt die juristische Fantasie an die Grenze der Realität: Die gleichen Geldstücke bekomme ich beim Händler nicht zurück, denn erstens habe ich das Pfand vielleicht mit der Karte bezahlt, und sonst werden die Geldstücke in der Kasse vermischt sein, und schließlich gibt es dann auch hier wieder das Pfandsystem, das es mir erlaubt, die Flaschen bei einem anderen Händler zurück zu geben.
Das heißt: Es gibt keinen Vertrag, der durch ein Pfand gesichert wird, und die Rücknahmemodalitäten des Pfandsystems geben mir etwas anderes zurück als das, was ich hingegeben habe.
Um es mit der für diesen Blog notwendigen Kürze zu sagen: Irgendwie lässt sich das System des Flaschenpfands auch juristisch erklären, aber der Begriff „Flaschenpfand“ ist zumindest juristisch nicht korrekt 😉