Vor einigen Tagen machte eine Meldung die Runde durch die Nachrichtenportale: Der Versandhändler Amazon hat das Konto eines Kunden gesperrt, weil der zu viele Rücksendungen veranlasst hat. Hierin sah Amazon ein missbräuchliches Verhalten. Der Kunde rechtfertigte die Retouren damit, dass er Bekleidung für seine Kinder in verschiedenen Größen bestellt hat, um dann die nicht passenden Größen wieder zurückzusenden.
Derartige Rücksendungen sind erlaubt. Der Kunde soll im Onlinehandel die gleichen Möglichkeiten haben wie im stationären Handel: er soll also die Waren anfassen und anprobieren können, wie er es auch im Geschäft kann. Wenn ihm etwas nicht gefällt, schickt er es eben wieder zurück.
Im Deutschen Recht gibt es aber auch den Grundsatz der Privatautonomie (worüber ich kürzlich hier in anderem Zusammenhang geschrieben habe). Danach kann jeder mit dem Geschäfte machen, mit dem er Geschäfte machen will. Möchte er andererseits mit jemandem keine Geschäfte machen, muss er das auch nicht. Dies kommt hier Amazon zu Gute: Amazon kann seine Produkte an jeden schicken, den sie gerne als Kunden hätten. Andererseits müssen sie auch nicht jeden als Kunden haben wollen – vergleichbar ist dies auch wieder mit dem stationären Handel: gefällt dem Geschäftsinhaber ein Kunde nicht, kann er ihn vor die Tür setzen. Er muss ihm nichts verkaufen.
Gegen die Entscheidung von Amazon wurde vorgebracht, sie höhle das Widerrufsrecht aus. Also: wenn Amazon die Kunden, die (zu) häufig von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen, als Kunden ausschließt, führe das dazu, dass die Kunden ihr Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen. Nun, diese Einschätzung teile ich jedoch nicht: Für jeden Kauf, den Amazon abwickelt, bleibt das Widerrufsrecht ja bestehen. Jeder Kunde, der etwas geliefert bekommen hat, kann dann noch das Widerrufsrecht ausüben. Durch den Ausschluss eines Kunden wird diesem also nicht das Widerrufsrecht genommen, sondern er wird allenfalls davon ausgeschlossen, überhaupt in die Situation zu kommen, irgendwann einmal den Widerruf eines Geschäfts zu erklären, denn mit ihm macht Amazon keine Geschäfte mehr. Jeder Kunde aber kann bei jeder Lieferung, die er erhält, das Widerrufsrecht ausüben, und es ist nicht vorstellbar, dass Amazon diese Rechte verweigert.
Bei der Geschichte ist mir jedoch ein anderer Gedanke gekommen: Als Ausnahme von der Privatautonomie gibt es den so genannten „Kontrahierungszwang“. In ganz bestimmten Bereichen, in denen ein Monopol besteht, ist der Unternehmer verpflichtet, jeden als Kunden zu nehmen, auch wenn er den eigentlich nicht als Kunden haben möchte. So kann sich etwa die Deutsche Telekom ihre Kunden nicht aussuchen, sondern jeder hat einen Anspruch darauf, dass er einen Anschluss bei der Telekom erhält. Eine solche (Quasi-)Monopolstellung liegt dann vor, wenn ein Unternehmen so bedeutend ist, dass man praktisch nur dann am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, wenn man die Dienste dieses Unternehmens in Anspruch nehmen kann.
Ist Amazon wirklich so bedeutend? Vielleicht. Viele Dinge sind sehr viel einfacher zu erledigen, wenn man sie via Amazon abwickeln kann. Eine wirkliche Alternative – also einen anderen Anbieter, der die gleichen Leistungen bietet – gibt es nicht: wer online einkaufen will, kommt um Amazon nicht umhin.
Vielleicht ist der verschmähte Kunde ja daran interessiert, diese Frage gerichtlich klären zu lassen. Das Ergebnis würde mich interessieren!