Wer schon länger mit mir zu tun hat, weiß, dass ich am frühen Donnerstag Nachmittag schwierig zu erreichen bin. Seit Jahren ist das der Tag, an dem ich mich mit meiner Patentochter treffe. Ich hole sie aus der Schule ab und wir gehen Pizza essen. Haben wir früher noch über Pferde gesprochen oder darüber, wo es das leckerste Eis gibt, sprechen wir heute auch über das, was in der Welt passiert.
Vor einigen Tagen kam die Sprache auf die derzeitige Situation in den USA, wo der Präsident zahlreiche „Executive Orders“ erlässt, ohne dass diese durch ein Parlament gegangen sind, und die Frage, ob es so etwas auch in Deutschland geben kann.
„Executive Orders“ können wohl mit „Verwaltungsanordnungen“ übersetzt werden, wobei der Präsident der höchste Verwaltungsbeamte ist. In der Presse werden sie derzeit meist als „Dekrete“ bezeichnet. Sie sind weder in der Amerikanischen Verfassung noch in sonstigen Gesetzen geregelt – d.h. juristisch gibt es sie eigentlich gar nicht. Dennoch haben diese Anordnungen eine lange Tradition in den USA: Vor der Amtszeit von Donald Trump gab es schon mehr als 13.000 solcher Dekrete. Mancher Präsident benutzte dieses Instrument nie oder nur einmal, andere Präsidenten haben hunderte oder gar tausende dieser Dekrete erlassen.
An sich handelt es sich bei den Executive Orders um Anweisungen des Präsidenten an die Verwaltung, wie sie mit bestimmten Problemen umgehen sollen. Sie wurden bisher meist als Handlungsanweisungen angesehen. Ein fiktiver Beispielfall: Das Parlament erlässt ein Gesetz, das zum Ziel hat, den Bürgern eine bessere Nachtruhe zu ermöglichen. Der Präsident füllt dieses abstrakte Gesetz aus und verbietet das Autofahren bei Nacht per Dekret. Das Nachtfahrverbot ist dann also kein neues Gesetz, aber es ist die genauere Beschreibung, wie das bestehende Gesetz umgesetzt werden kann. Auch wenn man also den Eindruck haben könnte, der Präsident könnte im Alleingang Gesetze erschaffen, ist es tatsächlich nicht so.
Die anderen Beamten in den USA fühlen sich an diese Orders gebunden, denn sie sind nur nachrangige Verwaltungsbeamte. Sie folgen dem, was ihr Vorgesetzter vorgibt.
Abschließend hatte meine Patentochter natürlich noch die Frage, ob wir so etwas auch in Deutschland erleben können. Um es kurz zu sagen: Nein, können wir nicht. Natürlich können auch die Gesetze bei uns nicht jeden Einzelfall beschreiben, und so ist es nötig, dass auch bei uns die Gesetze konkretisiert werden. Das geschieht aber nicht durch die Bundeskanzlerin, sondern durch einzelne Verwaltungsbehörden. Die Verwaltungsbeamten und -angestellten in Deutschland sind in ihren Entscheidungen frei – natürlich im gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Aber dass die Bundesregierung Vorgaben macht, wie die Verwaltungsangestellten Gesetze anwenden sollen, gibt es bei uns nicht.