In der vergangenen Woche fand eine Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht statt. Es ging um den numerus clausus. Wer einmal studiert hat oder studieren wollte, wird damit in Berührung gekommen sein: Gibt es mehr Bewerber als Studienplätze, werden die Studienplätze zentral an die Bewerber vergeben, und zwar unter starker Berücksichtigung der Abiturnote. Mit diesem Verfahren war ein 26-jähriger Hamburger nicht einverstanden, der Medizin studieren wollte. Er wollte nicht auf seine Abiturnote reduziert werden, schließlich war er ausgebildeter Rettungssanitäter und hatte beim Medizinertest überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Das Abitur aber, das schon so lange zurücklag, stand zwischen ihm und dem Studienplatz. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt es noch nicht, aber es deutete an, dass die bisherige Praxis der Studienplatzvergabe überarbeitet werden müsste.
Hierum geht es mir heute aber nicht. Im Zusammenhang mit dem numerus clausus gibt es andere spannende Themen! Numerus clausus bedeutet „begrenzte Anzahl“, und das muss man nicht allein auf Studenten beziehen oder solche, die es werden wollen. Ein Professor erwähnte in der Uni einmal die Idee eines numerus clausus für Anwälte. Nicht für das Studium, sondern für die Berufstätigen. Als Jurist kann man sich ja gerne mal Gedanken über Probleme machen, ohne sie lösen zu wollen, und so stellte er die Frage, ob es nicht gerechtfertigt sein könnte, die Anzahl der Anwälte zu beschränken?
Nun, diese Beschränkung ist dann auch eine Einschränkung der Berufsfreiheit, denn jeder soll machen können, was er möchte. Andererseits gibt es das auch schon in gewissen Bereichen: So ist die Anzahl der Notare begrenzt, und bis vor einigen Jahren gab es den Gebietsschutz für Apotheken oder Schornsteinfeger. So konnte also nicht immer jeder das werden, was er sein möchte. Bei Notaren wird die Beschränkung bis heute dadurch gerechtfertigt, dass jeder, der Notar ist, auch genug zu tun haben soll, damit er immer auf dem laufenden Stand ist.
Und genau das kann man bei Anwälten befürchten: Es gibt Anwälte, die einen Nebenberuf ausüben – es gab wohl auch Anwälte, die nebenher Taxifahrer fuhren, um die Kanzlei aufrecht erhalten zu können. Wer also nur den halben Tag lang Anwalt ist, kann sich auch nur den halben Tag lang fortbilden und Erfahrung sammeln.
Für den einzelnen Anwalt mag das in Ordnung sein: Er ist sicherlich trotz des Nebenberufs fleißig und klug, aber der Professor an der Uni stellte die Frage: Würdet Ihr zu einem Zahnarzt gehen, der nur eine Teilzeitpraxis hat? Tja, ehrlich gesagt wüsste ich, wie ich das beantworten würde. Ich hätte sicherlich Bedenken, dass der Halbtagszahnarzt weniger Erfahrung hat und deswegen weniger kann als der Vollzeitzahnarzt.
Würde man nun die Anzahl der Anwälte beschränken, so würde durchschnittlich jeder Anwalt mehr zu tun haben und müsste dann keinen Nebenberuf mehr ausüben. Er würde mehr Erfahrung als Anwalt sammeln können, wovon die Mandanten profitieren. Dem Wohl der Mandanten wäre gedient. Auf der anderen Seite gibt es den Spruch, dass sich Qualität durchsetzt, und auch die Freiheit der Berufswahl kann nicht einfach eingeschränkt werden.
Was ist also wichtiger? Das Wohl des rechtssuchenden Publikums oder die Freiheit der Berufswahl des einzelnen? Diese Frage beschäftigt mich seit fast 20 Jahren, ohne dass ich bisher eine Antwort darauf gefunden hätte. Wenn Sie eine Antwort oder auch nur eine Idee haben, schreiben Sie mir gerne.