In der vergangenen Woche sprach der Europäische Gerichtshof ein Urteil darüber, was im Sprachgebrauch unter „Milch“ oder „Käse“ verstanden werden kann. Einem Hersteller von veganen Produkten wurde damit untersagt, sein Sortiment als „Tofubutter“ oder „Pflanzenkäse“ anzubieten. In der Presse und vor allem in sozialen Netzwerken wurde das Urteil nicht immer verständnisvoll aufgenommen, denn für die meisten Teilnehmer war nicht ersichtlich, dass ein Verbraucher bei dem Begriff „Tofubutter“ darüber im Unklaren sein könne, ob es sich dabei um Butter aus Kuhmilch handele oder nicht.
In Deutschland gibt es das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, kurz „UWG“. Bei Wettbewerb handelt es sich nicht um etwas Sportliches, sondern um Werbung. Das UWG regelt also, was in der Werbung erlaubt ist und was nicht. Keinesfalls erlaubt ist die Irreführung des Verbrauchers, also das „Hervorrufen einer irrigen Vorstellung über das Angebot“. Auf diesen Fall übertragen würde das also bedeuten, dass der Verbraucher bei dem Begriff „Tofubutter“ nicht der Vorstellung unterliegen dürfe, es handele sich dabei um „Butter“. Würde dieser Fall rein nach dem deutschem Wettbewerbsrecht entschieden, so wäre die Entscheidung wohl anders ausgefallen, denn niemand hält den Verbraucher für so kurzsichtig, hinter „Tofubutter“ oder „Veganer Käse“ Produkte aus Kuhmilch zu erwarten.
Was in der Berichterstattung über das Urteil gelegentlich zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass es noch die europäischen Gesetze gibt, die sehr viel detaillierter gefasst sind als die deutschen. So gibt es eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2013, in der biologisch-wissenschaftlich erklärt wird, wie „Milch“ gewonnen wird. Wer Milch anders herstellt, stellt eben keine Milch her, sondern ein anderes Getränk. Und definiert wird nicht nur die Milch, sondern auch die daraus gewonnenen Produkte wie Käse oder Joghurt.
Diese Definition wurde dem Hersteller der veganen Produkte zum Verhängnis: Die Bezeichnung des pflanzlichen Brotaufstrichs als „Tofubutter“ verstößt damit gegen europäisches Recht, auch wenn hier im konkreten Fall kein Kunde darüber getäuscht wird, woraus die Butter tatsächlich hergestellt wird.
Wer nun fragt, warum es noch Kokosmilch gibt, hat gut aufgepasst, denn auch in Kokosmilch befindet sich keine tierische Milch. Kokosmilch stellt aber eine erlaubte Ausnahme dar: So gibt es eine Liste von Produkten, die „aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt“ sind. Die Produkte auf dieser Liste dürfen die an sich falschen Bezeichnungen tragen. Kokosmilch steht auf dieser Liste, Tofu und Soja jedoch nicht.
Bei dem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshofs handelte es sich um ein so genanntes „Vorabentscheidungsverfahren“. Der Rechtsstreit lag eigentlich beim Landgericht Trier und sollte dort entschieden werden. Weil die Richter in Trier aber erkannt haben, dass hier nicht nur das deutsche Wettbewerbsrecht betroffen ist, sondern auch eine EU-Verordnung, haben sie den Fall zum Europäischen Gerichtshof übersandt, der „vorab“ seine Meinung dazu geben sollte, wie die EU-Verordnung zu verstehen ist und ob man hier eine Ausnahme machen könnte. Der Europäische Gerichtshof hat hier sein Urteil gesprochen, in dem er dem Landgericht in Trier darlegt, wie das europäische Recht auszulegen ist. Das Landgericht Trier nimmt nun diese Auslegung und spricht auf dieser Grundlage sein Urteil. Und in diesem Urteil wird dann verboten, Produkte als „Tofubutter“ zu bezeichnen, aber nicht deswegen, weil jemand darüber getäuscht wäre, dass es sich um Butter aus Kuhmilch handeln könnte, sondern einfach deswegen, weil der europäische Gesetzgeber den Begriff „Butter“ anders definiert hat.